Die Stiftung Schweizer Chirurgen in Äthiopien wurde im Jahre 2009 durch Herrn Dr. med. Jörg Peltzer zusammen mit Schweizer Chirurgen-Freunden gegründet.
Seit 1999 engagiert sich Jörg Peltzer für die Unfallchirurgie im Südwesten Äthiopiens. Der fehlende Zugang der ländlichen Bevölkerung zur medizinischen Versorgung bewog Dr. Peltzer, diesen Menschen zu helfen. Im Jahre 2006 eröffnete er am Universitätsspital in Jimma das erste unfallchirurgische Zentrum in ganz Äthiopien. Die Stiftung führt das von Jörg Peltzer gegründete unfallchirurgische Zentrum und implementiert zusammen mit der Universität Jimma das unfallchirurgische Ausbildungsprogramm mit dem Namen GO STAR.
Eine nachhaltige Entwicklung der Unfallchirurgie ist nur möglich, wenn unser Wissen an einheimische Fachkräfte weitergegeben wird mit dem Ziel, dass diese dereinst das Projekt unter eigener Verantwortung weiterführen können. Die Nähe zur Universität Jimma und zum Universitätsspital bietet eine ausgezeichnete Möglichkeit, junge angehende Ärzte für unsere Tätigkeit zu begeistern und diese mit einem hohen Praxisbezug in Unfallchirurgie auszubilden.
Im GO STAR-Projekt integriert ist auch eine orthopädische Werkstatt, in welcher verschiedenste Arten von Gehhilfen (Schuhwerk, Orthesen, Prothesen) hergestellt und angepasst werden.
Das Unfallspital entwickelt sich zum Leuchtturmprojekt für ganz Afrika. Heute werden im unfallchirurgischen Zentrum über 200 verletzte Patientinnen pro Tag behandelt und über 1’500 komplexe Operationen pro Jahr durchgeführt. Seit 2022 ist das Spital als orthopädisches Ausbildungszentrum anerkannt und soll nun zum «National/African Center of Excellency for Trauma Surgery» ausgebaut werden. Die Vision ist, dass das Unfallzentrum zum Leuchtturm für orthopädische Behandlungen in Ostafrika wird.
Wir sind mit unserem unfallchirurgischen Behandlungsangebot die einzige Anlaufstelle für rund 20 Millionen Menschen im Südwesten Äthiopiens.
Die Traumatologie des Bewegungsapparates befasst sich mit den durch einen Unfall entstandenen Verletzungen von Knochen, Gelenken, Bändern und Muskeln. Mithilfe klinischer Untersuchungen sowie bildgebender Diagnostik wird das Verletzungsmuster analysiert und eine entsprechende Therapie eingeleitet. Dabei umfasst die Traumatologie sowohl konservative, das heisst, nicht operative Behandlungsstrategien als auch operative und rekonstruktive Methoden, mit dem Ziel der anatomischen und funktionellen Wiederherstellung der verletzten Gliedmassen.
Die medizinische Versorgung in Äthiopien ist meistenorts rudimentär. Die Erstversorgung der erkrankten und verunfallten Menschen erfolgt durch Pflegepersonal in lokalen, oft mangelhaft ausgestatteten Gesundheitsstationen, den «District Health Stations». Schwierigere Fälle werden ins nächste Zentrumsspital verwiesen, wo die Patienten erstmals ärztlich beurteilt, behandelt und bei Bedarf operativ versorgt werden. Diese «District Hospitals» sind meist die einzige medizinische Anlaufstelle für mehrere Millionen Menschen im jeweiligen Distrikt.
80% der Bevölkerung wohnen 40 und mehr Kilometer von der nächsten Strasse und somit oft Tage ommt die medizinische Hilfe zu spät: Bei über 90% der Notfälle, oftmals «einfache» Fälle wie Blinddarmentzündung oder eingeklemmter Leistenbruch, versterben die Menschen an Komplikationen noch vor dem Eintreffen im Spital.
Das Erreichen des Spitals garantiert noch keine rechtzeitige und angemessene Behandlung. Die äthiopischen Spitäler sind permanent masslos überfüllt und die medizinische Versorgungskapazität ist ungenügend. Die Patienten müssen oft stunden- oder gar tagelang in endlosen Warteschlangen ausharren. Wann die ärztliche Erstbeurteilung und eine allfällige Spitalaufnahme erfolgen, ist höchst ungewiss und oft extrem verzögert.
Das Vertrauen der Menschen in das lokale Gesundheitswesen ist entsprechend gering; die allgemeine Verunsicherung ist spürbar und die Angst vor Amputationen und Fehlbehandlungen ist omnipräsent.
«Wer bemüht ist, sein eigenes Glück zu suchen, der ist auch den Anderen gern behilflich dazu.» Sebastian Kneipp
Für unsere Knochen- und Unfallchirurgie stehen uns ein Operationssaal, 80 Betten in der neuen Abteilung und weitere 40 in der alten Abteilung sowie viele auf dem Notfallstation zur Verfügung.
Die veraltete Infrastruktur, Wasser -und Stromausfälle sowie das Fehlen der einfachsten Hygiene- und Sterilisationsregeln, aber auch die für unsere Ärzte aussergewöhnlichen Unfall- und Krankheitsbilder stellen das OP-Team täglich vor neue Herausforderungen.
Die meist anspruchsvollen knochenchirurgischen Eingriffe sowie Notfalloperation werden vom schweizerisch-äthiopischen Team durchgeführt. Die jungen äthiopischen Chirurgen und das medizinische Fachpersonal werden dadurch praxisnah ausgebildet und in zunehmender Autonomie geschult.
Heute werden im unfallchirurgischen Zentrum über 200 verletzte Patientinnen pro Tag behandelt und über 1’500 komplexe Operationen pro Jahr durchgeführt. Zudem können rund 100 Amputationen pro Jahr verhindert werden.
Für die Behandlung von Unfallverletzten fehlen landesweit das nötige Fachwissen, die technischen Einrichtungen und das Operationsmaterial. Wasser- und Stromausfälle sind alltäglich, verlangsamen den Arbeitsrhythmus in den Spitälern und erschweren das Einhalten der einfachsten Hygiene- und Sterilitätsregeln.
In den überfüllten chirurgischen Abteilungen hängen Patienten mit Knochenverletzungen oft monatelang an Streckungsvorrichtungen. Für die meist offenen, infizierten Knochenbrüche und komplexen Weichteilverletzungen existiert kein Behandlungskonzept und besteht somit wenig Hoffnung auf Ausheilung. Um das Leben des Patienten zu retten ist eine Amputation oft unumgänglich.
Tagtäglich müssen die Ärzte Prioritäten in der Dringlichkeit der Behandlung ihrer Patienten setzen. Aufgrund der limitierten Betten- und Operationskapazität im Trauma-Zentrum kann nicht allen Patienten eine adäquate Behandlung angeboten werden. Nur die dringendsten Fälle können berücksichtigt werden. Diese so genannte Triage jeden Tag aufs Neue durchzuführen, ist eine der grössten Herausforderungen des humanitären Einsatzes der Schweizer Chirurgen vor Ort.
Die unfallchirurgische Abteilung mit ihren 60 Betten ist das Herzstück der Patientenbetreuung. Ein Team von über 20 Personen ist hier für die Operationsvorbereitungen, die täglichen Wundversorgungen und Verbandswechsel sowie für die Physiotherapie verantwortlich.
«Heute operieren Schweizer Chirurgen in Äthiopien unter schwierigsten Bedingungen.»
Ärztinnen, Medizinstudenten, Pflegefachpersonal und Physiotherapeuten kümmern sich gemeinsam um die Patienten. Um eine Routine im gesamten Ablauf erlangen zu können, müssen Funktion und Aufgaben jedes Einzelnen im Team regelmässig geschult und kontrolliert werden. Eine gute und kontinuierliche Nachbetreuung ermöglicht eine schnelle Wundheilung mit rascher Wiederherstellung der Beweglichkeit und Entlassung der Patientinnen. Dadurch können die Kontrollen ambulant durchgeführt werden und die knappe Anzahl Betten steht erneut zur Behandlung wartender Akutpatienten zur Verfügung.
Von zentraler Wichtigkeit ist für unser Team ein guter und vertrauenswürdiger Kontakt mit den Familienangehörigen, diese spielen in der Mit- und Weiterbetreuung der Patienten eine zentrale Rolle.
Täglich kommen rund 200 Patienten in die allgemeinchirurgische Sprechstunde des Universitätsspitals in Jimma. Die Gründe für das Aufsuchen ärztlicher Hilfe sind unterschiedlich: schlecht verheilte Knochenbrüche nach dem Sturz von einem Baum, infizierte, eitrige Wunden nach einem Schlangen- oder Hyänenbiss, schwere Weichteilverletzungen durch Macheten und Speere, groteske Fehlbildungen oder stark bewegungseinschränkende Gewebekontrakturen nach Verbrennungen.
Meist handelt es sich um komplexe, verpasste, ignorierte oder fehlbehandelte Fälle mit langer Vor- und Leidensgeschichte. Die Verunfallten suchen das Spital auf mit der Hoffnung auf Heilung und damit auf baldige Rückkehr in ein Leben als arbeitsfähiges Mitglied der Familie und Gemeinschaft.
«Man muss für andere leben, wenn man für sich selbst leben will.» Lateinische Lebensweisheiten
Die Rehabilitation und die Wiedereingliederung von körperlich geschädigten Patienten in das Alltagsleben ist uns ein wichtiges Anliegen. Unsere Physiotherapeuten lernen die Patienten im Umgang mit Gehhilfen und ermöglichen ihnen dadurch eine baldige Rückkehr in ihre Familien. Die periodische Überprüfung der Patienten gibt uns die Gewissheit, dass diese im Alltag korrekt eingesetzt werden und den Patienten dadurch die gewünschte Mobilität trotz Einschränkungen ermöglicht.
Die Folgen der desolaten Zustände im Gesundheitswesen finden sich in jedem Dorf. Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung ist durch eine unfallbedingte bleibende Behinderung stark beeinträchtigt, für den Unterhalt der Familie nicht mehr einsatzfähig und sozial desintegriert. Besonders gravierend für eine afrikanische Familie ist der Ausfall der Frau und Mutter, welche die zentralen Aufgaben zur Versorgung der Familie innehat. Äthiopien ist durch den hohen Anteil verkrüppelter und somit arbeitsunfähiger Menschen in seiner Entwicklung gebremst. Mit geeigneten unfallchirurgischen Konzepten kann die Situation verbessert werden. In vielen Fällen ist eine Genesung mithilfe einer korrekten chirurgischen Versorgung möglich.
«80% der Bevölkerung wohnen 40 km und mehr von der nächsten Strasse und somit oft Tagesreisen vom nächsten Spital entfernt.»
Ein weiterer wichtiger Pfeiler des GOSTAR-Projektes ist die Wiedereingliederung von körperlich behinderten Patienten in das Alltagsleben. Im Prosthesis and Orthesis Center (POC) – der orthopädischen Werkstätte – werden Patienten versorgt und Lehrlinge ausgebildet.
Die Apparatur, welche zur Prothesen-Produktion verwendet wird, entspricht europäischen Standards und ermöglicht die Fabrikation von qualitativ hochstehenden Unter- und Oberschenkelprothesen, jede individuell an den Patienten angepasst.
Die Abfallprodukte aus der Prothesenherstellung werden recycelt und zur Krückenherstellung verwendet. In Zukunft möchte sich das POC-Team einer neuen Herausforderung stellen: der Produktion von Rollstühlen für je rund 150 Franken.
In unserer äthiopischen Werkstatt werden individuell an den Patienten angepasste Unter- und Oberschenkelprothesen hergestellt. Das POC-Team stellt auch Spezialschuhe für Menschen mit Fussdeformitäten her, welche als Folge von Kinderlähmung in Afrika häufig anzutreffen sind. Die Abfallprodukte aus der Prothesenherstellung werden recycelt und zur Krückenherstellung verwendet.
Ein grosser Impact hat die Stiftung, indem sie das Spital mit wichtigem - in Afrika nicht vorhandenen – Hightech-Material wie Implantate, Schrauben, Nägel, Fixateur, Bohrmaschinen sowie Instrumentarium versorgt. Wir beteiligen uns zusätzlich am Bau und der Instandhaltung neuer medizinischer Einrichtungen und organisieren Seminare und Konferenzen zwecks Förderung der Unfallchirurgie in Äthiopien.
«Wer bemüht ist, sein eigenes glück zu suchen, der ist auch den anderen gern behilflich dazu.» Sebastian Kneipp
Teaching und Knowledge gilt für uns als Schlüssel der Nachhaltigkeit.
Die Aus- und Weiterbildung aller an der Patientenbehandlung beteiligten Personen, vom angehenden äthiopischen Chirurgen bis zum OP- und Pflegepersonal, gehört zu unserer täglichen Arbeit. Das Ziel ist eine nachhaltige Verbesserung der unfallchirurgischen Versorgung in Äthiopien. Dieses kann nur erreicht werden, wenn Fachwissen und manuelle Fertigkeiten vor Ort unter den örtlichen Arbeitsbedingungen vermittelt und manuelle Fertigkeiten gemeinsam mit den äthiopischen Fachärztinnen erarbeitet werden. Wir wollen den jungen motivierten Menschen ein attraktives und interessantes Berufsleben in ihrer ländlichen Umgebung ermöglichen.
Die Ausbildung erfolgt meist im direkten Austausch bei der täglichen Arbeit, aber auch in Form von organisierten praktischen Kursen, zur Verfügung gestellter Literatur und Falldiskussionen übers Internet. Es werden chirurgisches Fachwissen und Kenntnisse zu Hygiene und Sterilität vermittelt und es wird diskutiert und festgelegt, welches für jeden einzelnen Fall das sinnvollste Verfahren, das richtige Vorgehen und die erforderlichen Nachsorgemassnahmen sind. Operationen werden wenn immer möglich von den auszubildenden äthiopischen Ärzten unter Supervision der Schweizer Kollegen durchgeführt, um auf möglichst interaktive Weise manuelle Fertigkeiten und Kenntnisse neuer Operationstechniken zu erwerben.
«Wir wollen die angehenden Ärzte für unsere Tätigkeit begeistern, diese in moderner Unfallchirurgie ausbilden und ihnen berufliche Perspektiven an unserem Spital aufzeigen.»
GO STAR | Stiftung Schweizer Chirurgen in Äthiopien
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